Nach § 2 Nr. 1 b unserer Satzung übernimmt der Allgemeine Arbeitgeberverband der Wirtschaft für Sachsen-Anhalt e.V. für seine Mitgliedsunternehmen die Prozessvertretung vor den Arbeits- und Sozialgerichten. Dazu gehört auch die Vertretung vor dem Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt als Berufungsgericht für die Arbeitsgerichte unseres Landes.

Vielfach haben wir aufgrund der mit Kündigungsschutzverfahren für unsere Mitgliedsunternehmen verbundenen Risiken bereits darauf hingewiesen, dass es oftmals wirtschaftlich effektiver ist, einen Rechtsstreit bereits in der 1. Instanz zu beenden. Nicht immer lässt sich dieses Ziel auch tatsächlich verwirklichen.

Die Gründe dafür sind unterschiedlichster Art.

In Verfahren über betriebsbedingte Kündigungen ist zunehmend eine Position der Arbeitnehmer zu verzeichnen, an ihrem Arbeitsplatz unbedingt festhalten zu wollen, was dazu führt, dass über ausgesprochene Kündigungen durch die Gerichte zu entscheiden ist. Andere Gründe für die Notwendigkeit der Führung von Berufungsverfahren liegen darin, dass auf Seiten der Arbeitgeber in bedeutsamen Verfahren eine vergleichsweise Regelung nicht angestrebt wird, weil beispielsweise eine vom Arbeitnehmer begangene Pflichtverletzung so schwerwiegend ist, dass eine Entscheidung in der Sache herbeigeführt werden muss.

Grundlage für die Tätigkeit des Berufungsgerichtes ist das Einlegen einer Berufung gegen das Urteil eines Arbeitsgerichtes des Landes Sachsen-Anhalt.

Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, sie beginnt mit der Zustellung des Urteils mit vollständigen Gründen an die Prozessbevollmächtigten des Verfahrens 1. Instanz. Die Urteile der Arbeitsgerichte werden regelmäßig wegen der vorangegangenen Prozessvertretung durch den Verband an unser Büro zugestellt. Mit der Zustellung beginnt die einmonatige Berufungsfrist zu laufen, gleichsam aber auch die zweimonatige Frist für die Begründung der Berufung.

Regelmäßig wird zunächst lediglich die Berufung eingelegt und sodann in der Berufungsbegründungsfrist erst deren Begründung eingereicht.

Jeweils abhängig vom Ausgang des Verfahrens 1. Instanz ist Berufungskläger regelmäßig die unterliegende Partei, da sie durch das Urteil des Arbeitsgerichtes beschwert ist. 

Es sind aber auch Fälle denkbar, in denen beide Parteien die Einlegung einer Berufung verfolgen. Das ist oftmals dann der Fall, wenn im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens neben dem Feststellungsantrag zur Wirksamkeit einer Kündigung auch Zahlungsanträge gestellt sind. Im Ergebnis kann die Kündigung unwirksam und damit die Zahlungsanträge begründet sein. Es ist aber auch denkbar, dass eine ausgesprochene Kündigung durch das Gericht der 1. Instanz für wirksam erklärt wird, Zahlungsansprüche aber dennoch der Gegenpartei zugesprochen werden.

Unterliegt eine Partei des erstinstanzlichen Verfahrens nur mit Ansprüchen von geringem Wert kann abgewartet werden, ob die Gegenpartei in der Hauptsache des Verfahrens Berufung einlegt.

Für die in nur geringen Streitpunkten unterlegene Partei besteht dann die Möglichkeit, im Wege einer so genannten Anschlussberufung selbst noch Ansprüche gegenüber dem Landesarbeitsgericht stellen zu können.

Die Anschlussberufung ist zulässig bis zum Ablauf der dem Berufungsbeklagten gesetzten Frist zur Berufungserwiderung.

Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten die Bestimmungen der §§ 64 ff. ArbGG und, soweit sich aus dem ArbGG nicht ein Abweichendes ergibt, die Bestimmungen der ZPO zur Berufung.

Jedes Mitgliedsunternehmen, das schon einmal in die Lage versetzt war, ein Berufungsverfahren führen zu müssen wird wissen, dass die Arbeit in der Berufungsinstanz viel differenzierter, nachhaltiger und exakt erfolgen muss.

Das Herangehen an eine solche Berufungssache ist unterschiedlich je nachdem, ob die Berufung als Berufungskläger oder als Berufungsbeklagter geführt werden muss.

Als Berufungskläger hat man unter Auswertung des erstinstanzlichen Urteils die Rechtsfehler des Gerichtes im Einzelnen aufzuzeigen und eine eigene juristische Bewertung des vorliegenden Sachverhaltes vorzunehmen. Dabei muss auch geprüft werden, ob ggf. durch Sachvortrag in der 2. Instanz noch ergänzt werden muss.

Anders als im zivilrechtlichen Berufungsverfahren sieht § 67 ArbGG vor, dass neue Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im 1. Rechtszug nicht vorgebracht worden sind, in dem 2. Rechtszug noch zuzulassen sind, wenn sie die Erledigung des Rechtsstreites nicht verzögern.

Damit besteht auch die Möglichkeit, den erstinstanzlichen Sachvortrag zu ergänzen und auch neue Umstände in das Verfahren einzubringen.

Die Führung eines Berufungsverfahrens bietet Vorteile und Nachteile.

Vorteile wird man regelmäßig darin sehen können, dass durch die Bewertung eines bestimmten Sachverhaltes in dem Urteil des Gerichtes 1. Instanz die Schwerpunkte für die Entscheidung des Verfahrens in der 2. Instanz exakter festgestellt werden können als im erstinstanzlichen Verfahren.

Das Gericht hat regelmäßig einen zu entscheidenden Sachverhalt rechtlich bewertet und im Rahmen dieser Bewertung zum Ausdruck gebracht, aus welchen Gründen eine Maßnahme des Arbeitgebers keinen Bestand hat oder aber Bestand haben muss. Aus dieser Bewertung können Rückschlüsse für die juristische Argumentation im Berufungsverfahren gezogen werden oder auch, falls der Arbeitgeber im erstinstanzlichen Verfahren obsiegte, weitere Argumente vorgetragen werden, die die Entscheidung des Gerichtes der 1. Instanz bestätigen.

Nachteile des Berufungsverfahrens liegen genauso klar auf der Hand.

Das arbeitsrechtliche Verfahren ist regelmäßig dadurch gekennzeichnet, dass erhebliche Risiken für den Arbeitgeber bestehen.

Diese ergeben sich in Kündigungsschutzverfahren der häufigsten Art der Verfahren daraus, dass der Bestand eines Arbeitsverhältnisses über einen bestimmten Zeitpunkt hinaus streitig ist. Je nach der Entscheidung des Gerichtes, ob eine Kündigung wirksam ist oder nicht, entscheidet sich auch, ob der Arbeitgeber verpflichtet ist, über den Zeitpunkt der Wirksamkeit der Kündigung hinaus später Vergütung an den Arbeitnehmer zahlen zu müssen.

Bedenkt man, dass die Verfahren 1. Instanz durchschnittlich 6 bis 7 Monate dauern und das Verfahren 2. Instanz eine ebenso lange, mitunter auch längere Verfahrensdauer beinhaltet, ist nachzuvollziehen, dass mitunter Nachzahlungsverpflichtungen von 1 bis 2 Jahren bestehen.

Um solche Annahmeverzugslohnansprüche einzuschränken wird häufig davon Gebrauch gemacht, bereits während des Laufs des Verfahrens 1. Instanz eine oder mehrere neue Kündigungen auszusprechen oder aber auch den betroffenen Arbeitnehmern im Wege befristeter Arbeitsverträge Prozessbeschäftigungen im eigenen Unternehmen oder in anderen Betrieben anzubieten.